Von Dezember 2018 bis zum Februar 2019 haben Jeannine und ich einen Großteil der Südinsel von Neuseeland überquert, von St. Arnaud bis Te Anau. Unser Trail setzte sich etwa zur Hälfte aus dem Te Araroa, dem über 3000 km langen Weitwanderweg über beide Inseln von Neuseeland, und zur anderen Hälfte aus selbst zusammengestellten Trails zusammen. Über die Southern Alps zu laufen war wunderschön, einsam, einzigartig, herausfordernd und wild. Wir haben ursprüngliche Berge, einsame Täler und wunderschöne Seen gesehen. Wilde Schafe, Bergpapageien, seltene Vögel und viele freilebende Kuhherden haben uns begleitet. Wir haben an grossartigen Orten übernachtet und am stag saddle hat uns ein so starker Sturm überrascht, dass wir nicht wussten, ob unser Zelt standhalten würde.
Eine Übersicht unserer Etappen findet sich in der Tabelle unten. Der genaue Weg kann hier als GPX-Datei heruntergeladen werden (Die Darstellung ist z.B. auf caltopo möglich. Beachte, dass dieses GPX-File gezeichnet und nicht aufgenommen wurde, daher repräsentiert es unsere Route nur ungefähr). Der Versuch einer detaillierteren Routenbeschreibung, insbesondere der off-trail Teile findet sich hier. In dieser Excel-Tabelle findet sich eine Aufschlüsselung unserer Tour nach einzelnen Tagen, km, Schwierigkeit, Dauer in h etc.
Abschnitt | Verlauf | Tage | km | Route |
1 | St. Arnaud nach Boyle Village | 6 | 116 | Te Araroa (TA), markierter Weg |
2 | Boyle Village nach Otira | 4 | 93 | Te Araroa (TA), markierter Weg |
3 | Otira nach Waimakariri River Bridge | 3 | 48 | Hauptsächlich ohne Trail, alpines Terrain |
4 | Waimakariri River Bridge nach Mesopotamia Station | 7 | 154 | Te Araroa (TA), markierter Weg |
5 | Mesopotamia Station nach Twizel | 7 | 166 | Te Araroa (TA) und ohne Trail in alpinem Terrain |
6 | Twizel nach Lake Hawea | 5 | 120 | Te Araroa (TA), markierter Weg |
7 | Lake Hawea nach Makarora | 4 | 108 | Markierter Weg und weglos in komplexem alpinen Terrain |
8 | Makarora nach Glenorchy | 8 | 166 | Anspruchsvolles alpines Geländes auf markierten Wegen |
9 | Glenorchy nach Te Anau | 7 | 187 | Hauptsächlich markierte Trails |
Genaue Aufschlüsselung, GPX-File |
Unsere Route basiert auf einer Überquerung der Südinsel 2014 von Willem van Doorne. Da er mit Packraft unterwegs war und wir ohne, habe ich die Route umgeplant, so dass der ganze Weg zu Fuß möglich war. Die wichtigste Planungsgrundlage war NZTopo, zusammen mit caltopo (um GPX-Tracks zu zeichnen und um die topografischen Karten auszudrucken). Da etwa die Hälfte des Weges aus dem Te Araroa bestand, natürlich ebenfalls die Trailnotes des TA. Sehr hilfreich sind auch die Seiten southernalpsfotography (für kurze Routenbeschreibungen und sehr informative Bilder) und remotehuts (67 Hütten und Biwaks auf der westlichen Seite der Southern Alps, von Karamea bis Haast).
Zur Navigation haben wir Locus Map Pro (sehr gut!) mit dieser frei verfügbaren Karte von NZTopo verwendet, sowie selbst erstellte ausgedruckte NZTopo-Karten in A4 (caltopo zum Erstellen). Dazu kamen die Trailnotes des TA, sowie eigene Notizen zu den Teilen, in denen wir nicht TA gelaufen sind. Inzwischen gibt es auch eine TA-App, die noch nicht verfügbar war, als wir gelaufen sind.
Als Wettervorhersage haben wir die Internetseite von metservice verwendet, die wie eine App aufgebaut ist. Anfang 2019 gab es leider für das Smartphone keine gute App des metservice ohne Werbung. Auf der Webseite findet man unter Rural oder Towns, je nachdem wo man gerade ist, eine recht gute Vorhersage. Insgesamt scheint aber die Vorhersage nicht so exakt zu sein wie in Europa. Dies hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass Neuseeland als Insel sehr starken und schnellen Wetterwechseln ausgesetzt ist. Ergänzend haben wir noch noch die App von Yr benutzt.
Ich bin mit etwa 750 g Essen pro Tag gut gefahren ohne wesentlich ab- oder zuzunehmen. Das habe ich gegessen: 150 g Müsli mit Milchpulver zum Frühstück, 100 g Nüsse, 100 g Schokolade und 150 g Kekse über den Tag und 250 g Pasta/Linsen zum Abendessen. Jeannine hat in etwa das gleiche gegessen, allerdings etwa 100 g weniger. Die Kekse hat sie durch Müsliriegel/OSM-Bars ersetzt. Als Abendessen hat Pasta bei uns deutlich am besten funktioniert, danach kamen Linsen. Als Nüsse haben wir hauptsächlich Erdnüsse gegessen, manchmal auch Nussmischungen und Cashewnüsse. Gute Schokoladen sind: Alle Sorten von Whittaker und Old Gold. Meine deutlichen Lieblingskekse waren Oreos, ich hatte auch nach zwei Monaten nicht genug davon. Zu der Pasta/den Linsen haben wir Soßen gekauft (Tomaten, Gemüse, Käse) und kleine Beutel mit Tomatenmark. Nicht so gut funktioniert hat der vorgekochte Uncle-Bens Reis, da er für sein Gewicht nicht besonders viele Kalorien enthält und nicht sehr gut sättigt. Couscous/Polenta hat uns nicht so gut geschmeckt, ist sicher aber auch eine gute Alternative zu Pasta. Wenn wir in einem Ort einkaufen waren, haben wir meistens ein paar Luxusesswaren mit auf die ersten Tage genommen wie Käse, Humus oder frisches Gemüse. Hier ist noch eine Liste, was wir in Summe in den 60 Tagen gegessen haben:
12 kg Schokolade, 12 kg Nüsse, 4 kg Oreo-Kekse, 2 kg andere Kekse, 120 Müsliriegel, 15 OSM-Riegel, 15 kg Müsli, 21 kg Nudeln, 2 kg Linsen, 2 kg Polenta, 2 kg Couscous, 20 Päckchen Tomatenmark, 20 Päckchen Käsesauce, 10 Päckchen Tomatensuppe, 10 Päckchen Gemüsesuppe, 2 kg Käse, 2 kg Milchpulver, 1 kg getrocknete Aprikosen, 0,5 kg Rosinen, 1 kg Bananenchips
[spoiler title=“In Nelson haben wir sechs Pakete gepackt und an folgende Orte verschickt „]
Folgende weitere Orte für Pakete sind ebenfalls denkbar:
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Hier ist meine Packliste und die von Jeannine. Als Übersicht ist hier noch eine Packliste, in der alles zusammengefasst ist, was wir geteilt haben.
[spoiler title=“Besonders gut funktioniert hat „]
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[spoiler title=“Ausfälle in der Ausrüstung„]
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[spoiler title=“Folgendes Material haben wir nach der Hälfte der Tour aussortiert, da wir es nicht benötigt haben„]
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Grössere Verletzungen/Krankheiten gab es zum Glück nicht. Im ersten Monat musste sich unser Körper an die Belastung gewöhnen und ich hatte gelegentlich Knieschmerzen und Schulterschmerzen vom Rucksack. Jeannine hatte Probleme mit der Achillessehne und mit den Rippen (verschleppt aus Nepal).
Dies hatten wir in unserer Apotheke: Kohletabletten, Buscopan, Ibuprofen, Loperamid, Elektrolypulver, Octanisept, Amoxicillin-Clavulansäure, Metoclopramid, Steri-Strips, Blasenpflaster (groß und klein), sterile Kompressen, Pflaster, Kurzzugbinde, Hansaplast.
Als Medikamente haben wir vermisst: Ceterizin (bei Anfälligkeit für Heuschnupfen kann hohes Gras an einem sonnigen Tag grosse Auswirkungen haben) und Voltaren für Probleme mit der Achillessehne und dem Knie, die bei uns auftraten.
Viele Long-Distance-Hiker auf dem Te Araroa haben einen PLB (personal locator beacon), um im Notfall Hilfe holen zu können. Wir hatten einen Spot, der den Vorteil hat, dass man damit auch GPS-Daten nach Hause schicken kann. Der Nachteil des Spots ist, dass er durch den jährlichen Servicevertrag langfristig teurer ist als ein PLB.
Das was für uns in Neuseeland mit Sicherheit am unbekanntesten war, waren die vielen Flussüberquerung ohne Brücken. Dies ist in den Alpen kaum nötig, ich kann mich an keine schwierigere Flussüberquerung in der Schweiz oder in Deutschland erinnern. Da es in Neuseeland unglaublich viel Wasser gibt und die Landschaft viel weniger erschlossen ist, als in Europa, ergibt sich zwingend die Situation, dass es nicht überall Brücken gibt. Anfangs hatte ich sehr viel Respekt vor Flussüberquerungen, zurecht, wie sich kurz vor Otira zeigte. Es passieren immer wieder Unglücke und Fehleinschätzungen, selbst bei Profis, wie Jez Bragg, der bisher die Rekordzeit auf dem Te Araroa hält. Es ist sehr schwierig einzuschätzen, wann man einen Fluss überqueren und wann nicht mehr (aufgrund von zu viel Regen), vermutlich sollte man im Zweifelsfall nicht queren.
[spoiler title=“Bericht unserer anspruchsvollsten Flussquerung„]
Vor Otira haben wir in der Locke Stream Hut zusammen mit zwei Kiwis und einer deutschen übernachtet. Als wir in der Hütte ankamen hatte es angefangen zu regnen und hat dann die ganze Nacht hindurch heftig weiter geregnet. Auch am Morgen regnete es noch, wenn auch nicht mehr so stark, wie in der Nacht. Der Fluss direkt vor der Hütte war deutlich angeschwollen im Vergleich zum Vortag. In den Tagen zuvor waren wir von mehrern Kiwis gewarnt worden, dass wir bei zweifelhaften Verhältnissen nicht versuchen sollten einen Fluss zu queren, da die Gefahr zu groß wäre. Von zwei Deutschen, die Northbound unterwegs waren, hatten wir gehört, dass das Wetter zunehmend schlechter werden sollte. Und es war kurz vor Weihnachten, so dass insbesondere bei den beiden Kiwis in der Hütte das Ziel war den Zug zu bekommen und nach Hause zu kommen. Allen war bewusst, dass die Situation ernst war und wir einigten uns darauf zu schauen, wie Bedingungen aussehen und gegebenenfalls umzukehren. Um nach Otira zu kommen mussten wir einen grösseren Fluss zweimal queren, einmal direkt nach der Hütte und dann erneut ein paar km weiter flussabwärts. Bei der ersten Querung direkt nach der Hütte hatte ich bereits großen Respekt, aber indem wir alle zusammen als Gruppe mit der Hand um die Hüfte der Nebenpersonen gemeinsam querten ging es besser als ich erwartet hatte. Problematisch wurde es dann weiter flussabwärts. Dort war der Fluss durch weitere Nebenflüsse wesentlich größer geworden und sehr breit. An der Stelle, wo der Taramakau River normalerweise gequert wird, hat er einen weiteren großen Zufluss (Otehake River) bekommen, so dass wir entschieden beide Flüsse vor dem Zusammenfluss separat zu queren. Wir mussten etwas suchen, bis wir eine geeignete Stelle fanden den Taramakau zu queren. Die Querung war nicht einfach, aber gemeinsam war es machbar. Die Strömung des Zuflusses (Otehake) war stärker als die Flussarme bisher und das Wasser verfärbt. Der Kiwi wollte queren, Jeannine und mir war es aber zu heikel und wir entschieden, dass wir nicht gehen würden. So mussten wir zurück, was dem Kiwi nicht gefiel, aber vermutlich die einzige vernünftige Lösung war. Die Rückquerung gelang gut und wir beschlossen weiter flussabwärts einen Weiteren Versuch zu wagen. Der erste Arm klappte erstaunlich gut und war weniger tief als gedacht. Die Querung des zweiten Armes war sehr grenzwertig, bis kurz vor dem anderen Ufer war die Strömung stark, aber nicht zu sehr. Dann aber erstaunlicherweise, kam die stärkste Strömung und die tiefste Stelle des Flusse kurz vor der anderen Seite, für mich sehr unerwartet. Wir sind wieder in einer Gruppe nebeneinander gegangen, das Wasser reichte etwa bis zur Mitte der Oberschenkel. Kurz vor dem anderen Ufer wurde die Strömung dann so stark, dass einzelne Deutsche, sehr zierlich gebaut Panik bekam. Meine Füße begannen sich langsam ohne mein Zutun zu bewegen. Jeannine schaffte es irgendwie die Deutsche zu beruhigen und alle zusammen schafften wir es ans andere Ufer. Dort war die Kiwi extatisch, dass wir es geschafft hatten, Jeannine und ich erleichtert, aber mehr froh und noch unter Eindruck der gefährlichen Situation stehend. Leider waren wir immer noch nicht auf der anderen Seite und mussten noch einen weiteren Arm queren. Dies ging verhältnismäßig gut, worauf wir im Regen und extrem mühsam nach Otira hinausliefen. Am Ende des Tages waren wir 13 1/2 Stunden unterwegs gewesen. Einige Faktoren wie schlechtes Wetter, eine schlechte Vorhersage (letztendlich war das Wetter in den Tagen danch gar nicht so übel) und eine Gruppendynamik haben zu einer Situation geführt, in der wir unsere Grenzen überschritten haben. Das nächste Mal würde ich einfach abwarten, dass der Fluss abschwillt.
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Um sich auf Flussquerungen vorzubereiten, kann man Informationen auf der Webseite des Mountain Safety Council bekommen oder auch einen Kurs besuchen.
Wir haben erfolgreich und ohne grössere Probleme (aber teilweise mit längerem Suchen) den Rangitata, den Godley und den Ahuriri River gequert. Wie oben beschrieben hatten wir das größte Problem bei einem eher kleineren Fluss, nach sehr starkem Regen.
[spoiler title=“Persönliche Tipps zur Querung von Flüssen„]
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Rein technisch hat uns der Trail gefordert, aber nicht überfordert. Mit einem soliden Bergsporthintergrun ist der Te Araroa relativ einfach zu bewältigen. Die selbst geplanten off-Trail Teile waren zum Teil anspruchsvoll, aber alle lösbar. Unterschätzt habe ich die konstante Anforderung, die eine so lange Wanderung an mich stellt. Der Teil von Otira zur Morrisoon Foot Bridge war eine der eindrücklichsten Etappen unseres Trails, wild, einsam und alpin. Da ich alleine unterwegs war, mich in mir unbekannten alpinen Terrain bewegte und die Tage sehr lang waren (im Schnitt zehn Stunden, der zweite Tag über 13 Stunden und über 2000 Höhenmeter im Aufstieg) war diese Etappe entsprechend kräftezehrend. Es war wunderschön alleine in fremden alpinen Terrain meinen eigenen Weg zu suchen und sehr erfüllend. Aber nach diesen drei Tagen war ich sehr erschöpft und habe etwa 10 Tage um wieder Motivation für den weiteren Weg zu finden, der größtenteils nicht so fordernd, und auch nicht so wild und einsam war wie die drei Tage. Es war eine Herausforderung wieder Energie zu sammeln für den weiteren Weg nach Te Anau. Das nächste Mal würde ich auch wieder so anspruchsvolle Etappen einbauen, allerdings mir mehr Zeit für diese geben (4 statt 3 Tage) oder Ruhetage danach einlegen.